Die langanhaltende Trockenheit dieses Sommers in der Schweiz, in Deutschland und den Niederlanden ließ die Wasserstände der Flüsse deutlich sinken. So ist zum Beispiel der Abfluss des Rheins bei der Messstation Basel-Rheinhalle deutlich unterdurchschnittlich: Zurzeit fließt weniger als halb so viel Wasser an Basel vorbei als im langjährigen Oktober-Durchschnitt. In Deutschland und den Niederlanden fällt ein Vergleich mit dem langjährigen Monatsmittel noch ungünstiger aus: die Abflüsse erreichen hier nur etwa 40 Prozent.
Mündung der Nahe bei extremem Niedrigwasser des Rheins bei Bingen im Oktober 2018, im Hintergrund Mäuseturm und Burg Ehrenfels (Bild: Dr. K. Wendling/MUEEF-RLP)
Angesichts der aktuellen Niedrigwasserstände rückt die Bedeutung der Alpengletscher für die hydrologische Situation des Rheingebiets verstärkt in den Fokus. Denn gerade bei extremem Niedrigwasser trägt die Gletscherschmelze nicht unwesentlich zum Wasserstand des Rheins bei. Die KHR hat deshalb ein schweizerisch-deutsches Forschungskonsortium damit beauftragt, die Anteile der Schnee- und Gletscherschmelze an den Abflüssen im Rhein und seinen alpinen Zuflüssen zu untersuchen. Dies ist ein Folgeprojekt zu der im Jahr 2016 veröffentlichten KHR-Studie, die bereits die Anteile der Abflusskomponenten auf Tages- und Monatsbasis für den Zeitraum von 1901 bis 2006 beleuchtete.
Hoher Anteil an Schmelzwasser bei Trockenheit
Dabei wurde beispielsweise im Hitzesommer 2003 am für die Schifffahrt wichtigen Pegel Kaub ein maximaler Anteil von 20 Prozent Gletscherschmelzwasser am Abfluss festgestellt. Ohne diesen Schmelzwasseranteil wäre der Wasserstand in der engen Fahrrinne des Mittelrheintals um 28 Zentimeter niedriger ausgefallen. Im deutsch-niederländischen Grenzbereich am Pegel Lobith betrug der maximale Schmelzwasseranteil am 28. August 2003 immerhin noch 17 Prozent. Diese Zahlenangaben beruhen auf der im Projekt eingesetzten und teilweise neu entwickelten hydrologischen Modellkette für das internationale Einzugsgebiet des Rheins. Werte für die aktuelle Situation liegen nicht vor; im Jahr 2018 dürfte der Schmelzwasseranteil aufgrund des Gletscherrückgangs aber geschätzt etwas geringer ausfallen.
Detailliertere Aussagen über zukünftige Entwicklung
Aus datentechnischen Gründen wurden in der ersten Projektphase zunächst nur die historischen Niedrigwasserereignisse bis 2006 analysiert. In der zweiten Phase (2018-2021) werden nun auch die Ereignisse, die bis in den aktuellen Zeitraum reichen, betrachtet. In der neuen Projektphase kommen aktuelle Klimaprojektionen und entsprechende hydrologische Modelle zum Einsatz. Das soll detailliertere Aussagen über zukünftige Entwicklungen der Gletscher sowie über Gletscher- und Schneeschmelzabflüsse im Rheingebiet unter Einbeziehung des globalen Klimawandels ermöglichen.
Auswirkungen des Gletscherrückzugs
Wegen der langanhaltenden und überdurchschnittlichen Wärme in diesem Sommer und Herbst haben die Gletscher in der Schweiz allein 2018 rund 1‘400 Millionen Kubikmeter Eis verloren: ein Rückgang um 2,5 Prozent. Ohne die riesigen Winter-Schneemengen wäre die Eisschmelze noch dramatischer ausgefallen. Nach mehreren Extremjahren haben die Gletscher seit 2008 sogar ein Fünftel ihres Volumens eingebüßt, wie die Eidgenössische Kryosphärenkommission der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) Mitte Oktober berichtete. Die neue KHR-Studie soll auch aufzeigen, wie sich der Rückzug der Gletscher auf den Abfluss des Rheins in der Schweiz, in Deutschland aber auch bis in die Niederlande auswirkt.
Auskunft:
Petra Schmocker-Fackel, Bundesamt für Umwelt BAFU (Bern, Schweiz; Projektleitung), petra.schmocker-fackel@bafu.admin.ch; Tel +41 58 46 476 66
Peter Krahe, Bundesanstalt für Gewässerkunde BfG (Koblenz, Deutschland) , Referat M2 – Wasserhaushalt, Vorhersagen und Prognosen: krahe@bafg.de; Tel +49 261 1306 5234
Jörg Uwe Belz, Bundesanstalt für Gewässerkunde BfG (Koblenz, Deutschland) , Referat M1 – Hydrometrie und gewässerkundliche Begutachtung: Belz@bafg.de; Tel +49 261 1306 5428
Eric Sprokkereef, Sekretariat Internationale Kommission für die Hydrologie des Rheingebietes KHR (Lelystad, Niederlande): eric.sprokkereef@rws.nl; Tel + 31 88 7985 233
Links:
Synthesebericht der ersten Projektphase:
English: https://chr-khr.org/en/file/1057/download?token=Zg6SY04i
Deutsch: https://chr-khr.org/de/file/1058/download?token=syGnLweH